Interview mit Diana Scholl

Diana
Diana Scholl
Geschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Berufsförderungswerke e. V.

Fürsorge, Achtsamkeit, Vertrauen

Nicht nur harte Kennzahlen: Besonders auch die weichen Faktoren wie zum Beispiel Fürsorge machen Unternehmen demografiefest. Davon ist Diana Scholl überzeugt. Sie ist Geschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Berufsförderungswerke e. V. (BV BFW) und im Vorstand von Das Demographie Netzwerk (ddn).

 Frau Scholl, unsere Gesellschaft ist erschöpft. Das bekommen auch die Arbeitgeber zu spüren?

Ja, die Menschen belastet aktuell sehr viel: Kriege, Klimawandel, Existenzängste, die Nachwirkungen von Corona, unzählige politische Auseinandersetzungen. All diese Veränderungen und die damit einhergehenden Unsicherheiten gehen nicht spurlos an uns Menschen vorbei. Sie erschöpfen uns. Das überträgt sich auf die Arbeit. Davon zeugt auch die steigende Zahl von Krankschreibungen aufgrund psychischer Belastungen.

Welche Rolle spielt der persönliche Stress?

Kinderbetreuung, die Pflege von Angehörigen, Erkrankungen, Druck im Job, weil es aufgrund des Fachkräftemangels zu wenig Kollegen gibt oder das Team nicht funktioniert – solche persönlichen Päckchen können noch hinzukommen.

Wie können Unternehmen reagieren?

Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. Umso mehr sollten sie diese heute als Bestandteil ihrer Unternehmenskultur verstehen und leben. Fürsorge führt zu einem besseren Unternehmensklima und zu einer stärkeren Bindung an das Unternehmen.

Was heißt Fürsorge in der Praxis?

Schlüsselfigur sind die Führungskräfte. Sie müssen achtsam sein, unterstützen, begleiten, eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen: Die Mitarbeitenden müssen sich darauf verlassen können, dass die Führungskraft – und damit ihr Arbeitgeber – es gut mit ihnen meint. Dabei geht es darum, Absprachen zuverlässig einzuhalten, Arbeit fair und familienfreundlich zu gestalten, Urlaub und Feierabend zu respektieren, offen für Anregungen oder Kritik zu sein oder mal nachzufragen, wenn ein Teammitglied bedrückt erscheint. Wenn Führungskräfte konstruktiv mit Kritik umgehen können, sind sie in der Regel auch in schwierigen persönlichen Situationen empathische Ansprechpersonen.

Gut zu kommunizieren ist also entscheidend?

Und das will gelernt sein. Zu fragen, wie es jemandem geht, kann dieser auch als übergriffig empfinden. Es braucht Fingerspitzengfühl und die Botschaft: „Es geht mir nicht nur um deinen Job, sondern wirklich auch um dich persönlich.“ Die Basis dafür ist eine gute Vertrauenskultur.

Helfen Fürsorge und Vertrauen auch beim demografischen Wandel?

Ja, sie machen Unternehmen attraktiv. Denn ebenso entscheidend wie die messbaren Faktoren, Kennzahlen, Umsätze, Gewinne oder ein guter Lohn sind für Beschäftigte die weichen Faktoren. Wer sie berücksichtigt, findet und bindet Mitarbeitende besser.

Frau Scholl, vielen Dank für Ihren Input.