Interview mit Andreas Greve

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Andreas Greve
Mitbegründer und Gesellschafter der nextpractice GmbH und des nextpractice-Instituts

Gemeinsame Visionen entwickeln – im Kleinen, wie im Großen 

Gesellschaft und Wirtschaft sind im Umbruch, der Zusammenhalt schwindet. Andreas Greve, Geschäftsführer des gemeinnützigen #nextpractice-Instituts für Komplexität und Wandel und Partner von Das Demographie Netzwerk, setzt Konsens und ein neues Wir dagegen. 

Herr Greve, in unserer Gesellschaft und Wirtschaft kracht es gerade gewaltig … 

Demografischer Wandel, Fachkräftemangel, viel Regulatorik, vielleicht deswegen bald auch Unternehmer-Mangel, Konjunkturdellen, wachsende Armut, politische Extreme, bröckelnder Zusammenhalt, Ausgrenzung. Außerdem äußere Krisen wie Kriege oder Klimawandel. Es bricht tatsächlich einiges auseinander. Das gefährdet auch die Demokratie. 

Gibt es Grund zur Sorge? 

Fachlich vermag ich die Herausforderungen und Krisen nicht wirklich zu bewerten. Was mir aber Sorge macht, sind die Dynamiken der handelnden Menschen. Seit 30 Jahren beschäftigen wir uns in Forschung und Praxis mit dem Wertewandel und den daraus resultierenden Herausforderungen in Gesellschaft und Wirtschaft. In unseren soziokulturellen Wertestudien wird deutlich, dass uns in unserem „kollektiven Unbewussten“ eine Idee für ein verbindendes Wir und ein wertschätzendes Miteinander fehlen.  

Welche Folgen hat das? 

Statt einer verbindenden Identität in der Vielfalt und einer gemeinsamen Zukunftsidee, erleben wir neben Spannungen und Spaltungen auch Rückzugstendenzen auf das vorrangige Wohl des Individuums oder auf ein eher konservatives und abgrenzendes Wir. Schnell überwiegt ein Schwarz-Weiß-Denken mit polarisierenden Sichtweisen. Konstruktive Diskurse und eine partizipative Entwicklung eines progressiven Wir bleiben auf der Strecke. 

Wie nähern wir uns einem neuen Wir an? 

Die Summe der Herausforderungen und Krisen bringt Orientierungslosigkeit, Ängste und auch Ohnmachtsgefühle mit sich. Dem können wir entgegenwirken und in unserem direkten Umfeld Selbstwirksamkeit im Umgang miteinander üben. Denn wir müssen aktiv werden und gemeinsam auf Lösungssuche gehen, um darüber die Weichen für Zusammenhalt und kollektive Intelligenz zu stellen. Beides brauchen wir, um die zahlreichen und komplexen Herausforderungen unserer Zeit in den Griff zu bekommen. 

Was können wir konkret tun? 

Wir sollten Zusammenhänge besser ergründen, andere Perspektiven verstehen, Probleme ansprechen, Diskurse üben und zusammen nach Lösungen suchen. Das lohnt sich grundsätzlich. Denn die Dynamiken in sozialen Systemen sind ähnlich, ob in der Gesellschaft, in Unternehmen, in Familien und auch in Paarbeziehungen. Ungeklärtes, Unrealistisches, Unausgesprochenes oder Undefiniertes führt zu Spannungen und frisst Energie und Ressourcen, die wir für den Aufbruch in ein neues Wir und die Entwicklung von Zukunftsvisionen brauchen. 

Und den demografischen Wandel meistern wir dann auch besser? 

Zumindest gibt ein starkes Wir Orientierung in der Vielfalt. Es fördert Zusammenhalt und Zugehörigkeit – und Engagement für Wirtschaft und Gesellschaft.